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Neue Briefe über
die ästhetische Erziehung des Menschen
Ein Gespräch mit Friedrich Schiller
Edition Ornament im
quartus-Verlag, Bucha 2005
64 Seiten, Fadenheftung
in Englischer Broschur, mit montiertem Porträt
auf Bütten und weinrotem Lesefaden. Einmalige Ausgabe
in 500 numerierten Exemplaren
ISBN 3-931505-54-5
EUR 14,90
Vorzugsausgabe
mit zwei dreifarbigen Originalholzschnitten
von Jens-Fietje Dwars
49,90 EUR
Nur noch 5 Exemplare der VA lieferbar!
Zu bestellen beim Autor
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Holzschnitte
für die Vorzugsausgabe in 50 Exemplaren:
Links: Schiller. Nächtig. Auf China-Papier
Rechts: Schiller. Palimpsest. Auf Blättern einer Schiller-Werkausgabe
von 1838
Jeweils in drei Farben von drei Holzstöcken per Hand
abgezogen.
Die Presse urteilt:
„...ein ansprechend gestaltetes
Bändchen.“
Ostthüringer Zeitung
„...ein schönes Büchlein,
frei und frech im Ton.“
Thüringiche Landeszeitung
„...nicht lediglich ein
weiteres Schiller-Buch, sondern eine furiose Auseinandersetzung
mit der Gegenwart.“
Neues Deutschland
„Ein schauenswertes Dinglein
fürwahr, das mit aller Hochachtung zu genießen
sich unterstand Matthias Biskupek“
Thüringer Allgemeine
"... eine philosophisch-essayistische Erörterung
Schillerscher Positionen, des Unerledigten seines Menschen-
und Gesellschaftsentwurfs ... Was ist mit Schiller heute anzufangen?
Fragt der Verfasser, das Scheitern einer als sozialistisch
ausgegebenen Arbeits- und Arbeitergesellschaft und den eigenen
geistigen Werdegang in ihr kritisch bedenkend."
Jürgen Engler, in: Marginalien. Zeitschrift
für Buchkunst und Bibliophilie, 3/2013
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ERSTER
BRIEF
Wie schreibt man
Briefe an einen Toten? Überhaupt, Briefe zu schreiben,
welch anachronistisches Unterfangen im 21. Jahrhundert. Wir
schreiben E-Mails, bestenfalls, wenn der andere telefonisch
nicht erreichbar ist. Wenn er zu der schrumpfenden Minderheit
zählt, die kein Funktelefon besitzt, kein Handy auf Neuhochdeutsch,
oder keinen Anrufbeantworter. Dann schreibt man eine E-Mail,
electronic mail: kurz, klar, das Wichtigste, zu digitalen
Zeichen komprimiert und von Computer zu Computer in wenigen
Sekunden gesandt. Doch was ist das Wichtigste?
Beim Zeus, in was für Nöte Sie mich bringen. Nur,
weil ich Ihnen schreiben will. Einem Toten, nein, einem Unsterblichen.
Sie müßten sie sehen, diese Berge von Büchern,
die gleichsam aus dem Nichts, wie eine Springflut aus dem
Geplätscher der Literaturwellen aufschießend, die
Buchläden seit einem halben Jahr überschwemmen.
Ein doppelt heikles Bild, ich gestehe es.
Denn freilich kommt der Bücherstrom nicht
aus dem Nichts, Ihrem Werk ist er entwachsen. Ein Geist nährt
noch immer hundert Geisteswissenschaftler, von dem Heer der
Geistbeschwörer ganz zu schweigen. Ihr Freund, wenn man
ihn so nennen darf, der Geheime Rat in Weimar drüben,
hält eine wahre Industrie in Lohn und Brot. Zwar ist
der VEB Goethe stiften gegangen, aber auch als GmbH lebt man
leidlich von seinem Werk, und manche Ich-AG dazu. Klassik
als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Das Kauderwelsch der
neuen Zeit, wie soll ich es Ihnen übersetzen? Verstehen
wir es doch selber kaum. Wie erklären, daß Kultur
ein Geschäft ist, Herr Schiller, Ihr Todestag ein Lichtblick
für vielerlei Gewerbe. Zynisch sind die Verhältnisse,
nicht der, der sie benennt. Jetzt endlich, schreiben die Journale,
sei Ihre Stunde gekommen, würden Sie aus dem Schatten
Goethes treten, den der Ihre doch zu Lebzeiten schon um einen
Kopf übertraf. Mehr noch: ein ganzes Jahrhundert hatte
Sie zum Lieblingsdichter der Deutschen erkoren. Wie konnten
Sie nur so gründlich ins Hintertreffen geraten? Es gab
noch Museen, zweifellos, eine Gesellschaft und ein Jahrbuch
mit Ihrem Namen. Doch seien wir redlich, gestehen wir uns
und Ihnen die Wahrheit, die Sie selbst zur höchsten Richterin
erhoben. Die bittere Wahrheit aber lautet, daß niemand
vor nur einem Jahr nach Ihren Texten verlangt hat. Nichts
lag uns ferner, als Ihr Idealismus, Ihr Pathos, Ihre Begeisterung,
die nur noch aus Pietätsgründen im germanistischen
Oberseminar gestreift wurden, die als Rohstoff lediglich jene
Autoren beschäftigten, die im Auftrag ihrer Verlage die
Bücher zu schreiben begannen, deren Flut uns heute ereilt.
Flut – ein Wort, das sich anders liest, seit vor drei
Monaten eine Sturmwelle die Welt heimgesucht hat. Ein Erdbeben,
vergleichbar mit jenem, das Lissabon in Ihrer Kindheit verschlang,
hob den Ozean im Südosten Asiens über die Ufer,
riß Einhundertfünfzigtausend Menschen in den Tod,
versetzte Millionen in Not und Schrecken und hat Milliarden
bewegt. Sie hören recht: Milliarden, sechs Milliarden
Menschen bevölkern die Erde. Ein Fünftel davon lebt
in einer reichen Welt, die sich die erste nennt, die Mehrzahl
dagegen in einer anderen, die man in den Nachrichten noch
immer, aus Gewohnheit, die dritte heißt. Obwohl die
zweite Welt, die sich vor zwanzig Jahren noch waffenstarrend
als unerschütterliche Macht behauptet hat, längst
verschollen ist, untergegangen in einem anderen Beben.
Von alledem will ich Ihnen berichten, von den Wellen, die
unser Leben erschüttern, die uns empor tragen und in
jähe Tiefe stürzen. Und dann mag sich zeigen, ob
Ihre Ideen, Ihre Briefe über die ästhetische Erziehung,
diese Flaschenpost im Strom der Zeiten, noch Bestand haben.
Auch Ideen, Herr Schiller, sind vergänglich, ihre Verwirklichung
gebunden an die Bedingungen von Raum und Zeit. Wer den Kairos
nicht ergreift, die Chance des Augenblickes, dem bleibt nur
die Trauer über versäumte Möglichkeiten. Und
die Unsterblichkeit? Ist ein Gespräch: So lange wir uns
eines Menschen erinnern, lebt er ins uns fort, so lange seine
Fragen uns bewegen. Fragen, wie die nach der Schönheit
in dieser hässlichen Welt, mit all ihren Freuden, Leiden,
Grausamkeit und Liebe dennoch. Wie und ob der Mensch denn
zu erziehen wäre, dessen Technik die Erde wie ein Titan
umfasst und der ratloser denn je auf das Tagwerk seiner Hände
blickt.
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