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Edition Ornament

B.K. Tragelehn. Der Resozismus im Abendlicht. Gespräch und Gedichte

 

"Theaterbraut"
Kaltnadelradierung,
Vorzugsgrafik von Strawalde

B .K. Tragelehn
Der Resozismus im Abendlicht.
Gespräch mit Holger Teschke mit einem
Anhang von 26 Gedichten sowie drei
Zeichnungen von Strawalde

Hrsg., gestaltet und mit einem Nachwort versehen
von Jens-Fietje Dwars
Mit drei frei rhythmischen Zeichnungen von Strawalde.
104 Seiten, Engl. Broschur mit handmont. Etikett
in Prägung, anthrazitfarbenes Vor- und Nachsatzpapier,
altgoldener Lesefaden
500 num. Expl.

50 Vorzugsexemplaren liegt je eine signierte
Radierung "Theaterbraut"
von Strwalde bei,
gedruckt von Dieter Béla.

Nur noch 10 Exemplare der VA lieferbar!

ISBN 978-3-943768-32-9

Vorzugsausgabe Nr. 1-50: EUR 69,90 EUR
Normalausgabe Nr. 51-500: EUR 14,90 EUR

Zu bestellen beim Herausgeber.

Siehe auch das Theaterstück
"Die Aufgabe" von Tragelehn
in der Weißen Reihe.


 

 

Drei frei rhythmische Zeichnungen von Strawalde.

 

   


Aus dem Nachwort

„Dem guten Frager ist schon halb geantwortet.“
Friedrich Nietzsche

Es ist die Keimzelle aller Literatur, der Ort, an dem sich Geist entzündet: das Gespräch. Ein Spiel von Fragen und Antworten, literarisch fixiert im Dialog, den Plato vor 2500 Jahren zur ersten Meisterschaft brachte. Sokrates hatte ihn in die Geheimnisse der guten Gesprächsführung eingeweiht, in die Maieutik – zu deutsch: Hebammenkunst. Wie die Geburtshelferin soll der Fragende helfen, die im Innern gereifte Frucht, die je eigene Weisheit des Befragten ans Licht zu bringen.
Eine gefährliche Kunst. Denn es gibt Wahrheiten, die man nicht wahrhaben möchte. Sokrates wurde zum Tode verurteilt, weil er die Jugend verführt habe, verführt zum Nachdenken, zum Hinterfragen allgemein gültig sein sollender Selbstverständlichkeiten, die sich eben nicht von selbst verstehen. Deshalb sind die Philosophen, die Weisheitsliebenden, „den Großen verhaßt“, vor denen sie das Knie nicht beugen, „verhaßt den Richtern, den amtsmäßigen Schützern der Vorurteile“ und „verhaßt den Völkern, die zu allen Zeiten die Sklaven der Tyrannen sind“.
So steht es in Jacques der Fatalist und sein Herr von Denis Diderot, gleichfalls ein Meisterwerk des Dialogs und eines der Lieblingsbücher B. K. Tragelehns, der auch darin seinem Lehrer folgt: Brecht. Hatte Plato die lebendigen Gespräche, die Sokrates mit Passanten auf dem Markt von Athen führte, zu Muster-Dialogen stilisiert, um damit sein eigenes Ideengebäude zu veranschaulichen, ging Diderot den umgekehrten Weg, indem er die philosophischen Weltsichten des Herrn und seines Knechts in den Kontext ihres realen Weltverhaltens stellte. Auf diese Weise werden die Ideen durchsichtig für gelebte Motive und Haltungen, die sich dahinter verbergen. Ein Mittel, das jedem Theater eignet, solange es Dialoge im Rahmen einer Handlung in Szene setzt. Wo Sprechen und Handeln auseinanderfallen, beginnt das eigentliche Spiel. Der Wahrnehmung dieser Differenz galt Brechts Bemühen um Reflexion statt Einfühlung: eine Schule des genauen Hinhörens und -sehens.
Der vorliegende Text ist beides: Gespräch und literarischer Dialog. Ihm zugrunde liegt das Protokoll einer Befragung durch Holger Teschke am 6. Juni 2012. Vordergründig geht es um Tragelehns Inszenierung des Heiner Müller-Stücks Die Umsiedlerin oder Das Leben auf dem Lande 1984 in Dresden. Das Besondere daran: der Regisseur lebte im Westen Deutschlands, weil ihm die Arbeit im Osten verunmöglicht wurde, seitdem er eben jenes Stück 1961 an einer Studentenbühne uraufgeführt hatte. So wird das Gespräch zur Reflexion deutsch-deutscher Theatererfahrungen und zeigen sich Größe und Elend, präzise Schauspielkunst und peinliche Bevormundung auf beiden Seiten.
Die feinen Differenzen herauszuarbeiten, war dann der zweite Schritt. Durch ihn erst wird der Dialog zur literarische Form, die das Gespräch über seinen Anlaß hinaus zum Gegenstand intellektuellen Genusses macht. Die Sätze folgen nicht nur dem Duktus des gesprochenen Wortes, sie verstärken ihn bis hin zur Dialektfärbung. Wie der Sokratische Geburtshelfer befreit der Frager die Erinnerungen des Befragten. Und die Lust dieses „Veteranen“, den Aberwitz des „Resozismus“ im Abendlicht seines Untergangs zu verlachen, hütet ihn vor Verklärung ebenso wie vor der Verteufelung des Vergangenen. Sie ermutigt, weiterzufragen, das Hier und Heute nicht widerspruchslos hinzunehmen.

Leseprobe

HORRID LAUGHTER
für K. D. Wolff

Karthago ist zerstört und Cato spottet
Was ist Rom ohne seine Feinde Nichts
Untergegangen die Armada Spanien
Träumt und Britannia rules the waves usw.
Die Mauer ist gefallen in Berlin
Nein keine Wende nur ein Weiter so
Und wo ist jetzt der Feind Sieh in den Spiegel
Die Festung Europe wartet auf den Süden
Wie einst Rom hat gewartet auf den Norden
Shoppen und Ficken goldener Zeitvertreib
Dauernd der Lärm die Stille rasend Wer
Niemals zuvor gelacht hat lacht jetzt sehr
Und wer stets lachte lacht jetzt umso mehr

Pressestimmen

B.K. Tagelehns »Der Resozismus im Abendlicht« bezeugt die eigene Existenz als vornehmes Sich-Bescheiden im selbstgewählten Exil des Randes. Der Ausstieg aus dem rasenden Theaterbetrieb wurde ihm zum Einstieg ins Refugium des reflektierenden Ich. Abwechselnd in Berlin und auf der Insel Ösel vor der Rigaer Bucht lebend, gibt er für den Stroemfeld Verlag seit 2006 die Reihe »Alt Englisches Theater Neu« heraus. Strawalde hat die in (Alb)traumkulissen gespensternden Grafiken dazu geliefert. In einem umfangreichen Gespräch mit Holger Teschke geht Tragelehn auf Spurensuche im Umfeld der Uraufführung von Heiner Müllers »Umsiedlerin«, die er 1961 als Regisseur an der Hochschule für Planökonomie herausbrachte - mit dramatischen Folgen für ihn wie für Müller. Dieser Dialog ist dann mehr als bloß ein Stück Theatergeschichte: Realsetzung der sozialistischen Utopie.
Gunnar Decker, in: Neues Deutschland, 3. Juni 2015

Holger Teschke stellt die Fragen knapp und präzise. Er ist so gar nicht verliebt in die oft üblichen Selbstdarstellungsposen des Interviewers, sondern stellt sich ganz in den Dienst der Erinnerungen Tragelehns, des letzten Meisterschülers von Bertolt Brecht und Freund Heiner Müllers. Und so rankt sich das Gespräch vor allem um Fragen der Brecht-Nachfolge und um die vielfältigen und konfliktreichen Bemühungen Tragelehns um Stücke von Müller, besonders um "Die Umsiedlerin oder Das Leben auf dem Lande". Nach der Uraufführung 1961 wurde das Stück verboten, Müller zur Unperson erklärt. Tragelehn, der das Stück an der Studentenbühne der Hochschule für Ökonomie inszenierte, bekam Berufsverbot. (...)
Wie der gebürtige Dresdner über all das erzählt, ist ein Ereignis. (...) Es ist ein Interview von literarischem Wert. B. K. Tragelehns Erinnerungen leben von Mutterwitz und Ironie, von einem universellen weltliterarischen Gedächtnis, von einer Fülle von Anekdoten, die man so noch nicht gehört hat. Und der Leser erfährt so manches von der komplizierten Theaterarbeit in beiden Deutschländern ...
Doch wer weiß heute noch eigentlich von all dem? ... Man lese Tragelehns analytische Passagen zu Stücken Heiner Müllers oder zu Erwin Strittmatters "Katzgraben". Sie sind von glänzender analytischer Schärfe, frei von trockenem literaturwissenschaftlichen Ballast, dafür voller Lebensweisheit. Das ist ein Schatz, den es im Hegelschen Sinne aufzuheben gilt, weil er lebendige Literaturgeschichte vermittelt. (...) Tragelehns innere Kraft, sein Selbstbewusstsein und sein Humor rühren auch daher, dass er sich als Teil eines großen Kunstkonzertes fühlt. Auf ihm ruhen das Gespräch und die Gedichte. Es spielt auf, um die Zustände nicht hinzunehmen, sondern sie zu verändern. (...)
Tragelehn, der schon immer gegen Denkverbote opponierte, der trotz leidvoller Erfahrungen sich nicht scheut an (s)einem Kommunismus-Begriff festzuhalten, der „wetterfest und wandelbar ist“, wohl um die Verbrechen wissend, die in dessen Namen geschahen, dem das Leben von Parteifunktionären der DDR zur Hölle gemacht wurde, er hat eine Hoffnung nicht aufgegeben, wenn er von einer „Poesie“ spricht „als Vorschein einer vernünftigen Organisation des Stoffwechsels von Mensch und Natur; gemeinschaftliche Produktion von freien Individuen; Differenz steht nicht mehr unter Strafe; Poesie – als Essenz der Sprache, eine Essenz aus ihrem Kern genommen“.
Martin Straub, in: Palmbaum, Heft 2/2015

 

 

 

 

 

 

 


Herstellung: poliTEXTbüro Update: 26.05.2018